Natallia Elfes


 

Medien spielen schon immer eine sehr wichtige Rolle in der Gesellschaft, und das nicht nur, weil Menschen immer auf dem Laufendem bleiben können, sondern auch weil Medien unter anderem viel Macht besitzen. Sie beeinflussen die Meinungsbildung und die Wahrnehmung der Realität von großen Menschengruppen. Außerdem sind Medien oft ein wichtiges Instrument der Staatsmacht und dadurch werden Menschen und deren Ansichten stark manipuliert. Menschen hören, lesen und sehen nur das, was sie „dürfen“. Andere Meinungen und Ansichten sind in Belarus äußerst unerwünscht. So funktionieren Medien in einem Staat, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, keine Demokratie. Wenn so ein System seit vielen Jahren existiert und funktioniert, kann es problematisch für die Bürger werden, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Aber was wenn die Menschen ihr Vertrauen verlieren? Was wenn die Gesellschaft es lernt, einige Sachen kritisch zu beobachten?

Seit vielen Jahren hatten die belarussischen Staatsmedien in Belarus die Macht. Zumindest sah es so aus. Es geht hier nicht nur um die Macht, Menschengruppen zu manipulieren oder berühmt in der Gesellschaft zu sein, sondern eher um falsches Recht zu haben, falsche Nachrichten zu schreiben, oder Menschen einfach zu belügen. Wenn in Belarus einige Dinge passieren, die für die Regierung ungünstig sind, wird einfach darüber nicht gesprochen, auch wenn es lebensbedrohliche Sachen sind, wie zum Beispiel die Coronavirus-Pandemie. Es wird einfach nicht darüber gesprochen oder falsche Daten werden dargestellt (1). Aber das ist ein klassisches Szenario für nicht demokratische Länder. Dennoch gibt es unabhängige Medien in Belarus, die über alles berichten und den Menschen die „andere“ Wahrheit erzählen. Manchmal sind die Nachrichten von Staatsmedien und unabhängigen Medien so unterschiedlich, dass sie fast entgegengesetzt zu einander stehen. Es folgen ein paar Beispiele für einige wichtige Nachrichten.

Proteste nach den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 

Seit dem Beginn der Proteste nach den Präsidentschatswahlen berichtete das belarussische Informationsportal TUT.BY über Proteste im ganzen Land, informierte über die Anzahl der festgenommenen und verletzten Menschen (2), auch Bilder von Protesten waren auf der Webseite von TUT.BY zu sehen (3). „In der Pobediteley Avenue in Minsk kam es zu harten Verhaftungen: Sicherheitsbeamte sprangen aus Polizeiautos und nahmen Personen fest. Die Leute beschwerten sich, dass Pfeffergas in ihr Gesicht gesprüht wurde. Die Sicherheitskräfte verwendeten Blitzschläge. Nach 22.00 Uhr begann auf der Pobediteley Avenue eine umfassende Operation – zwei Reihen von Bereitschaftspolizisten mit Schildern bewegten sich aufeinander zu.“ – schreibt TUT.BY über Verhaftungen am 9. August (2).

„Wo es keine Angriffe auf Strafverfolgungsbeamte an Orten gab, an denen sich Menschen versammelten, gab es keine Gewaltanwendung von ihrer Seite. Unserem Fernsehsender stehen immer mehr Videos zur Verfügung, die deutlich zeigen, wie unter dem Deckmantel sogenannter friedlicher Proteste das trojanische Pferd der Farbrevolution mit einem noch härteren Szenario als der bekannte Ukrainer in unser Land gebracht wurde ein.“ – schreibt der Staatsfernsehkanal ONT in Bezug auf Proteste am 9. August auf seiner Webseite (4), währenddessen die Staatsagentur Belta die Proteste am 9. August gar nicht erwähnt und über Glückwünsche an Lukaschenko zum Sieg von Staatsoberhäuptern aus China, Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Venezuela, Syrien, der Türkei und den anderen berichtet hat (5).

Der Fall von Maria Kolesnikowa

Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa, eine von den bekannten Trios zusammen mit Veronika Zepkalo und der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja und eine der Hauptfiguren und Ikonen der belarussischen Protestbewegung, hat die Massenproteste gegen Machthaber Lukaschenko unterstützt. Sie wurde am 8. September 2020 in Minsk festgenommen und danach wurde sie von den Behörden gedrängt in die Ukraine auszureisen. Doch an der Grenze weigerte sie sich und zerriss ihren Pass. Später wurde Maria Kolesnikowa der versuchten Machtergreifung in Belarus beschuldigt.

Auch am selben Tag hat der erste unabhängige Fernsehkanal in Belarus BELSAT, der im Jahr 2007 gegründet wurde und der sich in Polen befindet, über die Festnahme von Maria Kolesnikowa berichtet und einen Kommentar von Stellvertretenden Innenminister der Ukraine zu der Situation an der belarussisch-ukrainischer Grenze veröffentlicht: „Dies war keine freiwillige Abreise. Dies war eine erzwungene Vertreibung aus Ihrem Heimatland. Maria Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus ausgewiesen werden. Diese mutige Frau hat Maßnahmen ergriffen, um sie daran zu hindern, die Grenze zu überschreiten. Sie blieb auf dem Gebiet der Republik Belarus. Alexander Lukaschenko trägt alle Verantwortung für ihr Leben und ihre Gesundheit“ (6).

Der Hauptstaatsfernsehkanal Belarus 1 hat sich zu der Situation so geäußert: „Eine der Hauptnachrichten des vergangenen Tages in der sogenannten unabhängigen Presse war angeblich die Inhaftierung eines Mitglieds des sogenannten Oppositionshauptquartiers im Zentrum von Minsk. Die Ereignisse, die in dieser Nacht stattfanden, zeigten, dass dies eine weitere Fälschung ist. Wie uns Polizeibeamte mitteilen, gab es einen Durchbruch der Grenze und einen Fluchtversuch – er wurde von Mitgliedern des Koordinierungsrates Maria Kolesnikowa sowie zwei ihrer engsten Mitarbeiter – Anton Rodnenkov und Ivan Kravtsov – durchgeführt“ (7).

Zwei Tage später am 10. September hat das Informationsportal TUT.BY einen Kommentar von Maria Kolesnikowa, den ihre Anwältin Liudmila Kazak wiedergegeben hat, auf seiner Webseite veröffentlicht, worin Maria erklärt, was mit ihr in der Tat passiert ist: „Nachdem die KGB-Beamten begriffen hatten, dass ich Belarus freiwillig nicht verlassen würde, legten sie mir eine Tasche auf den Kopf, stießen mich in einen Kleinbus und brachten mich zur belarussisch-ukrainischen Grenze (Siedlung Aleksandrovka), wo sie versuchten, mich mit Gewalt gegen mein Wille mich aus der Republik Belarus auszuweisen. Nachdem ich meinen Pass zerrissen und damit die Einreise in die Ukraine ausgeschlossen hatte, wurde ich erneut in einen Kleinbus gesetzt und zur Mozyr-Grenzabteilung gebracht, wo ich bis zum Abend des 8. September war“ (9). Die Anwältin von Maria Kolesnikowa Liudmila Kazak reichte einen Antrag auf Untersuchung der Tatsachen von Prellungen und Blutergüssen am Körper von Kolesnikowa ein (8).

Die persönliche Anmeldung von Maria Kolesnikowa wurde ziemlich vorhersehbar auf belarussischen Staatsfernsehkanale nicht veröffentlicht.

Die Geschichte von Roman Bondarenko

Der 31-jährige Roman Bondarenko, der auf dem „Platz der Veränderungen“ lebte, starb am Abend des 12. November letzten Jahres im Krankenhaus, nachdem er zuerst von Unbekannten in einen weißen Kleinbus geladen, dann in die Zentrale Bezirksabteilung der Inneren Angelegenheiten und danach mit schweren Verletzungen ins Krankenhausgebracht worden war. Die Ärzte sagten, Roman Bondarenko habe praktisch keine Überlebenschance.

Alexander Lukaschenko, der den Tod von Roman kommentierte, sagte, er sei betrunken gewesen, und die Generalstaatsanwaltschaft bestand darauf. Gegen den Arzt des Rettungsdienstes, der die Daten von Romans Tests mit null ppm Alkohol an die Medien übermittelte, wurde ein Strafverfahren eröffnet. Er wurde ebenso wie die Journalistin von TUT.BY Katerina Borisevich, die den Artikel schrieb, festgenommen (9). Später wurden sie und der Arzt des Notfallkrankenhauses Artyom Sorokin beschuldigt, „medizinische Geheimnisse preisgegeben zu haben, die schwerwiegende Folgen hatten“ (Artikel 178 Teil 3 des Strafgesetzbuchs der Republik Belarus). Der Grund war ein am 13. November veröffentlichter Artikel, in dem festgestellt wurde, dass das Blut von Roman Bondarenko keinen Alkohol enthielt. Dies steht im Widerspruch zur Version des Untersuchungsausschusses und zu Alexander Lukaschenko. Katerina Borisevich und Artyom Sorokin befinden sich in der Untersuchungshaftanstalt in der Volodarsky-Straße. Gleichzeitig haben Verwandte von Roman Bondarenko keine Beschwerden über die Journalistin und den Arzt eingereicht (10).

Es sei darauf hingewiesen, dass niemand festgenommen wurde, weil er Roman Bondarenko geschlagen hatte. Nur drei Monate nach seinem Tod gab die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass ein Strafverfahren wegen dieser Tatsache eingeleitet wurde (gemäß Artikel 147 Teil 3 des Strafgesetzbuchs).

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International erkannte Katerina Borisevich und Artyom Sorokin als gewaltlose politische Gefangene an.

Der Prozess gegen Katerina Borisevich und Artyom Sorokin begann am 19. Februar und wurde trotz der Position der Verteidigung und der Angeklagten selbst hinter verschlossenen Türen abgehalten. Am 2. März gab der Richter bekannt: Katerina Borisevich wurde zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 2.900 belarussischen Rubel, Artyom Sorokin, zu zwei Jahren Haft mit einer Verzögerung von einem Jahr und einer Geldstrafe von 1.450 belarussischen Rubel verurteilt. Der Arzt wurde im Gerichtssaal freigelassen, Katerina bleibt im Untersuchungsgefängnis (11).

Es gibt zwei Seiten von Medien in Belarus. Es gibt die Staatsmedien, die nur im Interesse der belarussischen Regierung funktionieren, oder die, die als Journalisten ihre Freiheit riskieren, weil sie festgenommen werden könnten. Das Vertrauen der Bevölkerung zu Staatsmedien sinkt immer mehr, jedoch gibt es einen Teil der Bevölkerung, bzw. die ältere Generation, die immer noch gern die Staatskanäle schaut, in der die offizielle Propaganda herrscht. Die Proteste in Belarus haben es gut gezeigt, dass es für Staatsmedien nicht mehr so einfach ist, den Belarussen Lügen zu verkaufen. In der digitalen Welt, in der wir gerade leben, in der Zeit des Internets, benutzen immer mehr Menschen Online-Informationsportale, und haben mehr Vertrauen zu den unabhängigen belarussischen Medien. Das Internet gibt die Freiheit, dass viele Menschen Fotos und Videos von Protesten veröffentlicht können, sodass es alle sehen konnten. Heißt das, dass das Internet uns mehr Freiheit gibt und es für Propaganda nur schwieriger wird? Oder heißt es auch, dass Menschen es lernen müssen, alles kritisch zu beobachten und nicht allem Glauben zu schenken, was uns erzählt oder gezeigt wird?

 

Literaturverzeichnis

  1. Belsat (09.04.2020). Zugriff via: https://belsat.eu/ru/programs/kak-v-belarusi-skryvayut-koronavirus/. Letzter Zugriff: 28.01.2021.
  2. BY (10.08.2020). Zugriff via: https://news.tut.by/society/696069.html. Letzter Zugriff: 01.02.2021.
  3. BY (10.08.2020). Zugriff via: https://news.tut.by/society/696079.html?utm_source=editorial_block&utm_campaign=recirculation_tut&utm_medium=read_more. Letzter Zugriff: 12.02.2021.
  4. BY (10.08.2020). Zugriff via: https://ont.by/news/akcii-protesta-v-minske-v-belarus-priveli-troyanskogo-konya-cvetnoj-revolyucii-so-scenariem-zhyostche-chem-izvestnyj-ukrainskij. Letzter Zugriff: 12.02.2021.
  5. by (10.08.2020). Zugriff via: https://www.belta.by/politics/view/zarubezhnye-lidery-pozdravljajut-aleksandra-lukashenko-s-pobedoj-na-vyborah-402300-2020/. Letzter Zugriff: 13.02.2021.
  6. Belsat (08.09.2020). Zugriff via: https://belsat.eu/ru/news/mariya-kolesnikova-zaderzhana-ona-ne-vezzhala-v-ukrainu/. Letzter Zugriff: 16.02.2021.
  7. BY (08.09.2020). Zugriff via: https://www.tvr.by/news/obshchestvo/mariya_kolesnikova_zaderzhana_pri_popytke_nezakonno_pokinut_territoriyu_belarusi_/?sphrase_id=1872645. Letzter Zugriff: 17.02.2021.
  8. BY (10.09.2020). Zugriff via: https://news.tut.by/economics/699979.html. Letzter Zugriff: 17.02.2021.
  9. BY (18.02.2021). Zugriff via: https://news.tut.by/society/719417.html. Letzter Zugriff: 18.02.2021.
  10. BY. Zugriff via: https://news.tut.by/author/2595.html?hot. Letzter Zugriff: 02.03.2021.