Es sind zwischenzeitlich zwölf Jahre vergangen seit Serbien 2009 den Beitrittsantrag zur Europäischen Union eingereicht hat. Noch immer ist ein EU Beitritt in absehbarer Zeit nicht realistisch. Serbien hat seit 2012 den Status als Bewerberland inne. Nachdem der Beitrittstermin immer wieder verschoben wurde verliert die serbische Bevölkerung immer mehr die Hoffnung auf einen baldigen EU-Beitritt. Im März 2022 lag die Zahl der Serben, die einen EU-Beitritt befürworten bei 46 %. Außerdem meinen 49 % der Serben, dass von einem EU-Beitritt Serbiens abgesehen werden solle, wenn dieser an eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos gekoppelt sei. Auch wenn dem Großteil der serbischen Bevölkerung die Vorteile, die mit einem Beitritt in die EU einhergehen bewusst sind, so ist deren allgemeine Einstellung ihr gegenüber überaus kritisch: Nur knapp über einem Fünftel (21%) der Serben haben eine positive Meinung der EU gegenüber.

Durch die Beitrittsverhandlungen soll das europäische Recht in das nationale Recht übernommen werden. Bis jetzt sind erst zwei der 35 Kapitel vorläufig geschlossen und 18 weitere sind für Verhandlungen geöffnet. Dies zeigt deutlich, dass die Verhandlungen noch weit von einem Abschluss entfernt sind. Ein weiteres großes Problem stellen die negativen Entwicklungen in Serbien bezüglich der Rechtstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Vorwürfe der Wahlmanipulation und Korruption dar. In diesen Bereichen soll Serbien im Zuge des Beitrittsverfahrens überzeugende Fortschritte präsentieren. Diese lassen jedoch auf sich warten.

Den wohl kritischsten Aspekt der Verhandlungen stellen die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo dar. Ein EU-Beitritt ist eng an einem von der EU moderierten Dialog zwischen den beiden Beitrittskandidaten geknüpft. Dieser seit 2011 andauernde Dialog musste zeitweise aufgrund bilateraler Spannungen unterbrochen werden. Vor einem möglichen Beitritt Serbiens muss es noch zu einem umfassenden rechtsverbindlichen Abkommen und zu einer Normalisierung der Beziehungen kommen. Jedoch ist Serbien nicht bereit den Kosovo anzuerkennen: im Mai 2021 meinte der serbische Präsident Vučić, dass er eine Anerkennung des Kosovos nicht unterschreiben würde. Vučić wurde im April 2022 durch Wahlen in seinem Amt bestätigt, was nur zu einer Festigung seiner Haltung geführt hat. Eine Lösung der Kosovo-Frage ist daher nicht absehbar.

Die Europäische Union hat besonders finanziell eine enorm große Bedeutung für Serbien. Im mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 hat Serbien durch das Instrument für Heranführungshilfe (IPA II), die unter anderem für Demokratisierung, Rechtstaatlichkeit und eine gute Regierungsführung gedacht sind, rund 1,5 Milliarden Euro bekommen. Durch das Nachfolginstrument IPA III und den mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 erhält Serbien weiterhin substantielle Unterstützung durch die EU. Darüber hinaus wird es durch den Wirtschats- und Investitionsplan für den Westbalkan, der ein Gesamtfördervolumen von 9 Milliarden Euro umfasst, profitieren. Ebenso hat das Land von den Covid-Unterstützungspaketen profitiert. Als Geldgeber will Serbien die EU folglich in keinem Fall verlieren. Jedoch fließen diese Gelde vorrangig, um Serbien auf einen möglichen EU-Beitritt vorzubereiten. Hierbei ist es fraglich, inwiefern diese Gelder weiterließen werden, wenn sich Serbien weiterhin von den europäischen Werten entfernt und sich auch auf dem internationalen Parkett anderweitig orientiert.

Es lässt sich feststellen, dass sich Serbien bei seinen außenpolitischen Partnern nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen möchte. Es wird weiterhin behauptet, dass man EU-Mitglied werden wollen, entwickeln sich momentan jedoch eher in eine andere Richtung. Darüber hinaus setzt man jedoch auf Verbundenheit und Loyalität mit Russland als Partner. Dazu verbindet sie auch eine Freundschaft mit China. Diese Außenpolitische Orientierung Richtung Osten zeigt sich auch darin, dass Vučić eine Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mehrere Tage herauszögerte. Darüber hinaus hat er sich den Sanktionen des Westens gegenüber Russlands trotz europäischem und amerikanischem Druck nicht angeschlossen. Die serbische Nähe zu Russland hat Taktik: zusammen mit dem russischen Partner blockieren sie die Aufnahme des Kosovo in die UNO. Darüber hinaus ist Serbien von russischem Gas abhängig, dass sie zu einem Freundschaftspreis, der nur ein Bruchteil des Markpreises beträgt, bezieht. Diese guten Konditionen will Serbien nicht gefährden. Ein mögliches Gasembargo, das den serbischen Wohlstand gefährden würde, scheint undenkbar.

All diese Entwicklungen lassen einen EU-Beitritt Serbiens in baldiger Zukunft sehr unwahrscheinlich erscheinen. Besonders die zunehmende außenpolitische Orientierung Richtung Osten sowie der zunehmende Verfall europäischer Werte, wie Rechtstaatlichkeit, Pressefreiheit und freier gleicher Wahlen können als Indikatoren für eine Umorientierung Serbiens und eine Nachrangigkeit eines EU-Beitritts bei den Prioritäten der serbischen Regierung gesehen werden. Ebenso stellt zumindest zum momentanen Zeitpunkt der Konflikt um die serbische Anerkennung des Kosovos eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar, die einem EU-Beitritt im Weg steht.

 

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