Während Nord- und Westeuropa anhaltende Ziele von Immigration sind, ist es das Komplementärteil, die Emigration, welche die östliche und südliche Sphäre Europas beschäftigt. Im Zuge der Globalisierung wurde es stetig einfacher, seine Heimat zugunsten einer Arbeitsstelle im Ausland zu verlassen. Von dieser verlockenden Möglichkeit machen viele junge Fachkräfte Gebrauch. Was folgt sind massive Abwanderungswellen, Fachkräftemangel im eigenen Land sowie eine Überalterung der Gesellschaft, denn nur wenige kehren zurück. Welche Maßnahmen dagegen treffen betroffene Länder wie Griechenland, die Slowakei oder Litauen?

Griechenland wurde wie kein zweites Land von der Eurokrise getroffen und entkam der drohenden Staatspleite nur knapp. Das schlägt sich in den Zahlen um Emigration nieder: Zwischen 2008 und 2014 haben über 400.000 Griechen, vorrangig Akademiker und qualifizierte Fachkräfte, ihre Heimat meist gen Norden oder Westen verlassen. Nun möchte die Regierung mit der Initiative „Rebrain Greece“ den Brain-Drain umkehren und um die Exilgriechen werben. Den Rückkehrern soll ein festes Monatsgehalt von mindestens 3000€ garantiert werden, von welchem der Staat 2/3 übernimmt. Sie richtet sich primär an Akademiker zwischen 25 und 40 Jahren. Doch vielen Griechen reicht dieses Entgegenkommen nicht. Die Initiative bietet zum einen nur 500 Plätze, wo allein in den 6 Jahren fast das Tausendfache an Griechen emigriert ist. Außerdem seien 3000€ brutto zu wenig, um Akademiker im Ausland zu ködern, deren Verdienst dort deutlich höher liegt. Ob diese Maßnahme also ausreicht, um aus einem Brain-Drain eine Brain-Circulation zu machen, ist fraglich.

Weiter nördlich, in der Slowakei, äußert sich der Brain-Drain maßgeblich darin, dass junge Menschen zum Studieren ins Ausland gehen und oftmals keine Rückkehr absehbar ist. Mit an die 20% belegt die Slowakei innerhalb der OECD-Länder den zweiten Platz hinter Luxemburg in Bezug auf auswärts Studierende. Der Trend steigt, sodass nun erst von staatlicher Seite begonnen wird, eine rückkehrfreundliche Wirtschaftspolitik zu entwickeln. Selbst systematische Studien zu dem Thema, um Daten zu erfassen, wurden bisher nicht von offizieller Seite veranlasst. Bisher lagen sämtliche Maßnahmen gegen den Brain-Drain in den Händen privater Organisationen. Die NGO LEAF etabliert beispielsweise Plattformen für Slowaken im Ausland, um diese mit ihrer Heimat in Verbundenheit zu halten und ihnen gar die Möglichkeiten der Partizipation zu gewährleisten. Auch am Projekt „Vráť sa“ ist sie beteiligt, welches darauf abzielt, Heimkehrer gut in den slowakischen Arbeitsmarkt zu integrieren, um den Brain-Drain künftig zu einem Brain-Gain umzugestalten.

Auch das noch nördlicher gelegene Litauen kämpft mit Bevölkerungsschwund, der ebenso einen Brain-Drain mit sich zieht. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus hatte Litauen 1990 um die 3,7 Millionen Einwohner, von denen inzwischen nur 2,8 Millionen verblieben sind. Auch im Fall Litauen sind es vor allem junge und hochqualifizierte Menschen, die es ins Ausland, vorrangig Großbritannien, zieht. Der Staat reagierte mit wirkungsvollen Maßnahmen, um das Land der jüngeren Generation oder aber den litauischen Emigranten als Arbeitsstandort attraktiver zu machen. So wurden die Konditionen für Firmengründungen erheblich erleichtert, sodass Litauen heute eine Art Start-Up-Paradies darstellt. Ob Kleiderkreisel (heute Vinted) oder BoredPanda, hinter vielen erfolgreichen Konzepten stecken litauische Köpfe. Das könnte auch in Zukunft so bleiben, denn gemäß der Europäische Kommission steht Litauen auf dem vordersten Platz bezüglich der Voraussetzungen für Unternehmensgründungen, gerade in der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Die Probleme der süd- und osteuropäischen Länder sind also vergleichbar in Bezug auf Brain-Drain, nur unterscheiden sich doch die Lösungsstrategien erheblich. Mal fruchten die staatlich getätigten Maßnahmen, wie im Fall Litauen, enorm, mal bügeln wie in der Slowakei NGOs die Versäumnisse der Regierung aus und mal scheinen die Ansätze, wie im Falle Griechenland, ein zu kleiner, symbolhafter Versuch zu sein. Wichtig ist jedoch, dass auf welche Art auch immer, künftig massiv gegen die Talentabwanderung gegengesteuert wird, bevor sich die Kluft zwischen Ost und West oder zwischen Nord und Süd stetig weiter vergrößert.

 

Quellen:

https://spectator.sme.sk/c/22582187/turning-slovakias-brain-drain-into-brain-gain.html

https://www.bbc.com/news/business-31488046

https://www.dw.com/de/litauen-start-ups-statt-brain-drain/av-51167649

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/ostblogger/litauen-land-der-startups-100.html

https://www.handelsblatt.com/politik/international/fachkraefte-abwanderung-so-will-griechenland-den-braindrain-umkehren/25331792.html?ticket=ST-1516181-q33bZQn0V1B0fRZqaJZk-ap1

Bildquelle: https://guyanachronicle.com/2020/08/09/brain-drain-in-berbice/