In Bulgarien und in der Republik Moldova wurde am 11. Juli das Parlament neu gewählt. Für Bulgarien ist es der zweite Urnengang binnen 3 Monate, da bei der letzten Parlamentswahl im April aufgrund der zerstrittenen Parteienlandschaft keine Koalition zustande kam. In der Republik Moldova herrschen ähnliche Verhältnisse vor: Präsidentin Sandu musste die Wahl vorziehen, da prorussische Kräfte über Monate hinweg die Bildung einer neuen Regierung blockiert haben.

In Bulgarien geht voraussichtlich die systemkritische und populistische Partei ITN unter dem Medienunternehmer und Entertainer Trifonow mit um die 23,9% der Stimmen knapp als Sieger hervor. Mit ca. 23,7% musste die rechtskonservative GERB-Partei des aus dem Amt geschiedenen Ministerpräsidenten Bojko Borissow somit eine hauchdünne Niederlage einstecken.

Die ITN-Partei wurde erst vergangenes Jahr als Protestpartei gegen den Regierungsstil Borissows gegründet. Eine Koalition mit seiner GERB-Partei scheint somit ausgeschlossen, jedoch ist aufgrund der nicht ausreichenden Sitze auch eine Koalition mit weiteren Anti-Borissow-Parteien nicht möglich. Deshalb möchte Slawi Trifonow mit seiner ITN auf eine Minderheitsregierung setzen.

Zu seinen Zielen gehören vor allem die Verkleinerung des politischen Staatsapparats. Nicht nur soll die Sitzanzahl im Parlament halbiert werden, auch sollen die Abgeordnetengehälter sowie die staatlichen Parteienzuschüsse sinken, um Missbrauch und Korruption einzudämmen. Auch soll der Sozialstaat ausgebaut werden im Zuge höherer Bildungsausgaben, Rentenerhöhungen und zusätzlichen Sozialleistungen. Ein außenpolitisches Wahlprogramm besteht nicht. Doch möchte Trifonow weiterhin ein loyaler EU – Partner bleiben und bekennt sich zudem zum ‚Green Deal‘. Vor Allem Auslandsbulgaren, ehemalige Nicht- und Jungwähler stimmten für die Partei, um mit der Führungselite zu brechen.

Die Republik Moldova manifestierte mit der Parlamentswahl ihre pro-europäische Ausrichtung, da die Partei ‚Aktion und Solidarität‘ (PAS) unter der amtierenden Präsidentin Sandu mit an die 53% zur stärksten Kraft gewählt wurde. Die prorussische Partei um den ehemaligen Präsidenten Dodon kam lediglich auf 27% der Stimmen. Mit der neuen Mehrheit im Parlament möchte die PAS nun Reformen umsetzen, die dem Land aus der Dauerkrise der Korruption, Armut und Abwanderung heraushelfen sollen.

Zuvor wurde Sandu die Möglichkeit des Wandels in ihrer Funktion als Präsidentin erschwert: Als sie im November 2020 zur Präsidentin gewählt wurde, reagierte das den prorussischen Parteien unterstehende Parlament umgehend. damit, per Gesetz die Macht des Präsidentenpostens zu beschränken.

So bangen hingegen nun nach dem fulminanten Wahlsieg der PAS die Kommunisten und Sozialisten um ihren Einfluss und warnen vor den Gefahren einer Abkehr von Russland. Ex-Präsident Dodon prophezeit unter anderem das Wegbrechen wichtiger Arbeitsmärkte, vor allem im Agrarsektor. Auch der Konflikt um das abtrünnige Transnistrien könnte wieder aufflammen, orientiert sich die Republik Moldova zu sehr gen Europa, so die Argumente der Europaskeptiker.

Auch hier kann man wie im Falle Bulgarien anhand der Wahlergebnisse demografische Vorlieben beider Lager absehen: Die PAS-Wähler sind im Schnitt jünger und leben vorwiegend urbaner, wohingegen die Wählerschaft der prorussischen Parteien durchschnittlich älter und sehr ländlich angesiedelt sind.

Was die Parlamentswahlen in Bulgarien und der Republik Moldova gemeinsam haben, ist, dass sie über Potenzial verfügen, Wandel herbeizuführen. Im Falle von Moldau lässt sich antizipieren, wohin das Land unter Führung der PAS steuern wird, nämlich gen Westen. Im Falle von Bulgarien handelt es sich zwar um einen Bruch mit der bisherigen politischen Elite, um ein Ausdruck des Protests, der sich in den Wahlergebnissen niederschlägt, doch ist dies ein Wandel mit ungewissem Ziel.

 

Quellen:

https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/bulgarien-erneut-vor-einer-parlamentswahl

https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/bulgarien-parlamentswahl-boiko-borissow-knappes-ergebnis

https://www.tagesschau.de/ausland/wahlen-bulgarien-101.html

https://www.tagesschau.de/ausland/proteste-moldau-101.html

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/moldau-parlamentswahl-101.html

https://www.nzz.ch/international/moldau-stimmt-bei-parlamentswahl-fuer-prowestlichen-kurs-nzz-ld.1635108

Fotoquelle: https://www.spiegel.de/ausland/moldau-moldau-stimmt-fuer-eine-annaeherung-an-die-eu-a-86e70ab4-da53-4012-845c-12235278fa7a