„Mit Brot spielt man nicht“

Serbische Politiker raten, bei den Olympischen Spielen 2016, ihren Sportlern Siegerehrungen von kosovarischen SportlerInnen zu meiden. Ein Fußballspiel zwischen Serbien und Albanien endet im Platzsturm, nachdem eine Drohne mit der Großalbanischen Flagge durch das Stadion in Belgrad fliegt und es zu einem Handgemenge zwischen den Spielern kommt. Bosnien-Herzegowina spielt bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 mit, wird aber nur von der Hälfte des eigenen Volkes angefeuert. In Kroatien wird die Teilnahme mit dem Ustaša-Gruß gefeiert. Und schliesslich hier noch interessant zu erwähnen, positioniert sich Novak Đoković ausdrücklich gegen die Unabhängigkeit des Kosovo.

Mit dem Ausdruck panem et circenses kritisierte einst der römische Dichter Juvenal in seinen Satiren die Abgestumpftheit des einfachen Volkes, sich nicht über elementare Grundbedürfnisse zu heben. Grundbedürfnisse, die der Sport scheinbar befriedigend abzudecken vermag.

Doch entgegen der Zeit der römischen Republik ist Sport heutzutage mehr als nur ein Spiel. Kaum etwas fasziniert die Menschen und dominiert die öffentlichen Sphären mehr als Sport. Es geht um das Siegen und Verlieren, Glück und Unglück, Kunst und Können, Freude und Trauer, Freunde und Feinde.

Sport stiftet Identität. Heutzutage sind sportliche Großtaten eng mit der gönnenden Nation verbunden. Sport ist ein Phänomen, in dem Nationalismus ausgelebt wird. Sportler tragen mit ihren Leistungen zum Selbstwertgefühl ihrer jeweiligen Nation bei, und fordern gleichzeitig eine Abgrenzung zu den „Anderen“. Kollektive Feindzuschreibungen helfen dabei, das Fremde zu erniedrigen, die eigene Gruppe zu stabilisieren und den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Alles und jeder unterliegt dem Fanatismus. Sportler selbst sind davon betroffen, ebenso deren Fans, ebenso die Medien, und schließlich genauso wie die Politik. Der Nutzen des Sports für die Politik ist offensichtlich. Der Sport bietet durch das hohe Interesse, die hohe Medienpräsenz und -reichweite eine geradezu ideale Bühne für jede Form von Werbung.

Im Sport kommen auch Feindbilder zustande, die einen Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität schaffen. Feindbilder geben Halt bei der eigenen Identitätsfindung und -stabilisierung. Feindbilder formen eine Basis der Gruppenkohäsion und Aggressionskanalisierung. Feindbilder stärken somit auch das Fundament für Gewalt, da man gestärkt durch die Gruppensolidarität verstärkt gegen Feinde vorgeht.

Das Problem auf dem Balkan in Bezug auf den Sport ist, dass sich jede/r auf unangenehme Weise mit dem Nachbarn – dem Feind – konfrontiert sieht. Wie schon die Beispiele in der Einleitung aufzeigen, werden (alte) Konflikte in den Sport getragen und dort ausgefochten. SportlerInnen begeben sich gegen ihre Gegner in eine rituelle Schlacht, in einen metaphorischen Krieg. Wenn, nach Clausewitz, Krieg die bloße Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist, so ist der Sport auf dem Balkan, zynisch formuliert, die bloße Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Muss denn die Faszination am Sport immer so politisiert werden?

 

Bildquelle: http://www.tz.de/bilder/2014/10/14/4123702/1224599639-serbien-albanien-1bk4X3Ra6.jpg