Im Zuge der neuen Publikation Heimspiele – Reiseführer durch die europäische Fußballkultur 2021, zu dem hier übrigens auch eine Rezension auf FOMOSO zu finden ist (hier zum Beitrag), hatte Michael Haderer vom FOMOSO die Gelegenheit mit dem Mitglied der Redaktion, Nik Afanasjew, ein Interview zu führen:

1) Herr Afanasjew, der Titel des Sonderheftes lautet „Heimspiele“. Finden Sie, dass Fußball gleichsam in Ost u. West zuhause ist? Welche Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten sind durch die Arbeit am Heft besonders deutlich geworden?

Ich sehe den Fußball absolut sowohl in Ost als auch in West zu Hause. Ich glaube aber, dass im Westen vielfach eine Übersättigung erfolgt ist: zu viele Spiele, zu viele Turniere, die Menschen scheinen bisweilen müde. Im Osten ist mehr Vorfreude zu spüren, trotz bisweilen schwerer politischer Lage.

2) Hatten Sie ursprünglich geplant, ein solches Schwerpunkt-Heft schon 2020 herauszubringen?

– Wenn ja, was hat das Jahr Verschiebung mit der Publikation und den Beiträgen gemacht?

– Zusätzlich oder falls nein: Was war nun der besondere Antrieb?

Ja, wir wollten das Heft schon 2020 machen. Durch die Verschiebung und die Pandemie sind wir mehr vom Fokus auf die Gastgeberländer weggegangen, hin zu den Teilnehmern. Einfach aus praktischen Gründen: Gastgeber können und sind entfallen, die Teilnehmer scheinen fix.

3) Im ersten Beitrag geht es um Fußballromantik u. -romantiker:innen. Würden Sie sich auch als solcher bezeichnen? welche Beziehung haben Sie zum Fußball und wie hat diese die Redaktionsarbeit an dem Heft geprägt?

Ich bin BVB-Fan und Fußballromantiker in der HInsicht, dass ich mich trotz all den negativen Entwicklungen der vergangenen Jahre auf die EM freue. Romantik liegt ja oft darin, Schwächen auszublenden, bei Menschen oder Ereignissen. So ist es auch hier.

4) Wie haben Sie als Redakteur die Beiträge ausgewählt? Wie viel Zufall u. Glück war dabei, überhaupt Beiträge wie die Fotoreportage „Fan auf Serbisch“ oder Eindrücke aus Weißrussland u. Aserbaidschan zu bekommen?

Wir hatten den Anspruch, Beiträge aus möglichst vielen Ländern zu haben. Durch das Netzwerk von n-ost haben wir viele Kontakte bekommen, das andere lief über persönliche Kontakte.

5) Wie gestaltete sich die multilinguale Zusammenarbeit für das Heft? Besonders mit Blick auf den ungarischen Beitrag „Noch lange nicht satt“ oder den Artikel über Fußballwörter?

Da haben wir unsere Autorinnen und Autoren gefragt, im persönlichen Umkreis, bei n-ost. Einheit in Vielfalt.

6) Erzählen Sie uns bitte ein bisschen über die Entstehungsgeschichte des Textes über Fankulturen am Balkan („Viel Gebäck“)? Wie viel „politischer“ ist der Fußball in Südosteuropa als anderswo?

Bei den Fankulturen ist der Text von Anne Hahn aus einer mehrjährigen Recherche hervorgegangen, die sie in einem anderen Kontext gemacht hat. Natürlich glück für uns. Wir hätten das nicht bezahlen können. Politischer ist der Fußball dort spätestens seit den Kriegen der 90er-Jahre, weil die fankulturen und Einstellungen damals stark instrumentalisiert wurden.

7) Als eine Art Resümee mit Blick auf Mittelost u. Südosteuropa:

Wie bewerten Sie die gegenläufige Entwicklungen zwischen dem Auftreten starker Nationalmannschaften (Vizeweltmeisterschaft durch Kroatien) und mehr Inklusion in den Wettbewerben (Teams wie die Slowakei, Ungarn und Nordmazedonien schafften es über das neue Nations-League Play-off zur EM) und auf der anderen Seite der Klubebene, wo Championsleague-Reform und Super-League-Pläne kleinere Ligen aus Mittelost- und Südosteuropa den Zugang zu den internationalen Wettbewerben noch weiter erschweren?

Ich glaube, dass es bezeichnend ist, dass Osteuropa durch die Kommerzialisierung des Fußballs so unter die Räder kommt. Es ist leider so, dass einige westeuropäische Vereine enteilen, während die anderen zurückbleiben. Das gilt es zu verhindern. Aber da bin ich pessimistisch.

8) Zum Abschluss noch zwei persönliche Fragen zur EM an Sie:

Auf welche Begegnung in der Gruppenphase freuen Sie sich am Meisten? welcher Mannschaft aus Mittelost- u. Südosteuropa trauen sie besonders viel zu, wer kann überraschen?

Ich freue mich am meisten auf Finnland gegen Russland. Die Finnen können fanmäßig überraschen, die Russen gerne fußballerisch als osteuropäischer Hoffnungsträger.

 

Nik Afanasjew // Freier Autor // afanasjew.nik@gmail.com

Herausgeber der Publikation: DFB-Kulturstiftung (Hrsg.) in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, Ausführung: Agentur n-ost, Seiten: 144, Erscheinungsdatum: 31.05.2021, Erscheinungsort: Bonn, Bestellnummer: 2581

Link zur Publikation: https://heimspiele21.eu