Am Sonntag, den 24. April hat Serbien wie erwartet die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Ministerpräsident Aleksandar Vučić mit einer haushohen Mehrheit von 48.3% der Stimmen wieder gewählt. Vučić hat verfrüht Neuwahlen einberufen, um sich die Unterstützung des Volkes bei seiner EU- und Reformpolitik für weitere 4 Jahre zu sichern. Sein Ziel ist bis 2020 der EU-Beitritt von Serbien. Doch wie realistisch ist dieses Vorhaben? Und wieso ist es ausgerechnet Vučić, der früher Nationalkonservative, der Serbien zur EU führen wird?

Aleksandar Vučić (1970 in Belgrad geboren) ist schon in jungen Jahren der Serbisch Radikalen Partei (SRS) beigetreten und wurde sofort ins Parlament gewählt. 1998-2000 war er Informationsminister unter Slobodan Milošević. Seine Ansichten waren radikal nationalkonservativ und sehr weit von einer pro-europäischen Einstellung entfernt. 2008 kam es zur Spaltung der SRS, wegen Unstimmigkeiten bei der Europapolitik. Tomislav Nikolić, der heutige Präsident Serbiens, gründete darauf seine eigene Partei, die Serbische Fortschrittspartei (SNS). Noch im selben Jahr wechselte auch Vučić zu Nikolićs neuer Partei, welche schnell zur Stärksten Serbiens wurde. Als Nikolić 2012 Serbischer Präsident wurde, übernahm Vučić die Spitze der Partei und wurde 2014 schliesslich zum Ministerpräsidenten gewählt und diesen April erneut wieder gewählt. Eine ziemlich steile Karriere mit ziemlich scharfen Kurven.

Vučićs Hauptanliegen ist mittlerweile der EU-Beitritt Serbiens. Im November 2015 haben die Beitrittsverhandlungen begonnen, was er als einen grossen Meilenstein betrachtet. Dort wurden die  Finanzpolitik und die Situation mit Kosovo als erstes auf den Tisch gelegt. Vučić hat schon mit Reformen begonnen und Sparmassnahmen ergriffen. Auch gegenüber dem Kosovo zeigt sich Vučić als kompromissbereit. Kosovo hat sich 2008 unabhängig erklärt. Dies wurde von der UNO und 110 Staaten (von fast allen EU-Staaten) anerkannt. Serbien sieht jedoch den Kosovo immer noch als unabhängige Provinz Serbiens. Dies müsse sich ändern, damit Serbien der EU beitreten kann. 2013 hat Vučić ein Normalisierungsabkommen mit dem Kosovo unterzeichnet und plant den Rückzug serbischer Institutionen aus dem Nordkosovo. Beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer 2015, gab sie sich zufrieden mit den Veränderungen in Serbien. Die EU sieht Serbien als Chance für die bessere Stabilität im Balkan und sogar als Brückenbauerin zwischen der EU und Russland. Auch wenn Vučić klar den EU Weg einschlägt, möchte er weiterhin gute Beziehungen zu Russland pflegen. Dies zeigte sich besonders als Serbien sich weigerte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verhängen in Folge des Ukraine-Konflikts. Wie dem auch sei werden die Chancen für den EU-Beitritt Serbiens allgemein als nicht schlecht eingestuft, wobei es sehr ambitioniert erscheint, dass dies tatsächlich schon innert der nächsten vier Jahre der Fall sein würde.

Neben der mehrheitlich starken Unterstützung Vučićs, gibt es aber auch heftige Kritik. Besonders, wenn es um die Unabhängigkeit der Medien geht. Vučić weist jedoch jegliche Vorwürfe der Zensur und Medienmanipulierung strengstens ab. Gewisse Kritiker behaupten Serbien würde der EU nie beitreten, da Serbische Politiker niemals so transparent sein würden, dass es den EU-Richtlinien entspräche. Vučićs Korruptionsbekämpfung habe bis jetzt noch keine Früchte getragen und das würde sich auch nicht ändern. Ausserdem sei er ein Opportunist, welcher sich stark an der aktuellen Machtlage orientiere und diese sei momentan bei der EU.

Vučićs Vergangenheit und die Aussagen der Kritiker zeichnen ein weit weniger rosiges Bild Serbiens, wie man vom Artikel in der tagesschau vom 09.07.2015 über Merkels grosse Zufriedenheit mit Serbien glauben möchte. Woher kommt trotzdem die grosse Unterstützung und die positiven Signale der EU? Als rechter und ehemals nationalkonservativer Politiker kann er die serbische Bevölkerung überzeugen, dass er alles daran setzen wird, bei den EU-Beitrittsverhandlungen die nationalen Interessen zu vertreten. In Serbien ist die Euroskepsis vergleichsweise hoch mit den anderen Balkanstaaten. Ein Mitte-links-Politiker hätte keine Chance die Serben für den EU-Beitritt zu vereinen. Darin liegt Vučićs Stärke. Was die EU betrifft, so ist sie sich seit der Flüchtlingskrise mehr darüber im Klaren, wie wichtig die Zusammenarbeit mit und Stabilität der Balkanstaaten ist. Serbien ist dafür ein wichtiger Partner, um diese Zusammenarbeit und Stabilität zu stärken.

Auch wenn die EU wie Serbien Interessen daran haben und gegenseitig von einem Beitritt profitieren, muss die EU vorsichtig sein. Vučić ist eine starke Persönlichkeit und zeigt sich, Kritikern zu Folge, ansatzweise gar als autokratisch. Weil er trotz der hohen Stimmenmehrheit trotzdem Sitze im Parlament verloren hatte, rief er schon den Wahlbetrug der Opposition aus, obwohl vor allem seine Leute an der Macht sind. Ausserdem macht ihn seine Vergangenheit auch unberechenbar, man weiss nie in welche Richtung die Fahne als nächstes drehen wird. Solange die Korruption nicht stark und erfolgreich bekämpft wird und die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt ist, ist Serbien nicht demokratisch genug, um der EU beitreten zu können – ganz unabhängig von der Finanz-, Kosovo- und Russlandpolitik. Diese Punkte sollten auf jeden Fall bei den weiteren Verhandlungen oberste Priorität haben. Inwiefern die Vorwürfe gegen Vučić sich bewahrheiten und wie ernst er es mit dem EU-Beitritt meint, wird sich in nächster Zukunft zeigen.

Quellen: Der Spiegel, TAZ, Die Welt, NZZ, Der Standard

Bildquelle: http://derstandard.at/2000035764971/Vucic-stellt-neue-serbische-Regierung-fuer-Anfang-Juni-in-Aussicht