Seit ihrer Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1991, hat Transnistrien beziehungsweise die Pridnestrowische Moldavischen Republik (PMR) eigene staatliche Strukturen aufgebaut und stellt somit einen de-facto Staat innerhalb der Republik Moldova dar. Seit dem kurzen Krieg von 1992, in dem die Republik Moldova versuchte, die Kontrolle über die transnistrischen Gebiete zurückzuerlangen, gab es zahlreiche Versuche den Konflikt zu lösen. Die Kampfhandlungen konnten bald durch einen Waffenstillstand beendet werden. Das vom damaligen moldavischen Präsidenten Mircea Snegur und dem russischen Präsidenten Boris Jeltsin unterschriebene Abkommen stellte eine Friedenstruppe aus russischen, moldavischen und transnistrischen Soldaten auf.[1] 1993 stellte auch die KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)[2] eine permanente zivile Mission in der Republik Moldova auf.[3] In den kommenden Jahren folgten viele Pläne von unterschiedlichen Akteuren, um den Konflikt langfristig zu lösen.

Was gilt es zu klären?

Im Konflikt zwischen der Republik Moldova und der PMR gibt es unterschiedliche Fragen, die gelöst werden müssen, damit der Konflikt endgültig beigelegt werden kann. So ist es unerlässlich zu klären, wie die Verfassung eines gemeinsamen Staates gestaltet sein soll. Dabei stellen sich viele Fragen: Soll der Staat eher zentral oder eher föderal ausgerichtet sein? Eine zentrale Ausrichtung auf Chişinău scheint unwahrscheinlich, da Transnistrien schon jetzt viele Funktionen eines eigenständigen Staates erfüllt und wohl kaum bereit ist, den Großteil seiner Unabhängigkeit aufzugeben. Föderale Modelle erscheinen daher geeigneter. Doch wie könnte ein föderalistisches System ausgestaltet sein? Beim symmetrischen Föderalismus haben alle Gliedstaaten die gleichen Kompetenzen. Sollten sich die Republik Moldova und Transnistrien auf einen solchen Föderalismus einigen, stellt sich eine weitere Frage: soll die autonome Region Gagausien ebenfalls ein eigener Gliedstaat neben Moldova und Transnistrien werden, oder Teil eines moldavischen Gliedstaats sein? Ein asymmetrischer Föderalismus, bei dem die Gliedstaaten unterschiedlich weitreichende Kompetenzen haben, würde es Moldova erlauben mehr Kompetenzen als Transnistrien oder Gagausien zu behalten.

Weiter geht es um die Frage, wie die verschiedenen Gliedstaaten (Moldova, die PMR und eventuell Gagausien) in einem gemeinsamen Staat repräsentiert werden könnten. Dazu gibt es verschiedene Konzepte des „power sharing.“ Auf der Ebene der Exekutive könnte z.B. ein neues Ministerium für die transnistrischen Gebiete gebildet werden. Dieses könnte Transnistrien repräsentieren und sich mit transnistrischen Themen befassen. Auf legislativer Ebene könnte z.B. das Wahlsystem so gestaltet werden, dass die WählerInnen aller Gliedstaaten repräsentiert sind. Und auch auf der Ebene der Judikative könnten „power sharing“-Konzepte zu verbesserter Repräsentation führen. So könnte es kurzzeitig eine Quote für Richter aus Transnistrien geben. Ein weiterer wichtiger Teil eines Abkommens sollten zudem Regelungen sein, die den Umgang mit zukünftigen Konflikten klären.

Die bisher besprochenen Aspekte beziehen sich nur auf die Beziehung zwischen der Republik Moldova und Transnistrien. Zu den entscheidenden Fragen gehören aber auch die russische und rumänische Dimension des Konflikts. So muss die Frage nach der Präsenz russischer Truppen in der Republik Moldova gelöst werden. Aber auch die Frage, inwiefern es für die Republik Moldova möglich sein soll, sich mit Rumänien zu vereinigen und welche Rechte Transnistrien in einem solchen Fall besitzen könnte.

Mediations- und Lösungsversuche

Um die Konfliktparteien zu unterstützen einem Abkommen und einer Verfassung näher zu kommen, wurden viele Mediationsversuche unternommen.  1997 unterschrieben der Moldavische Präsident Petru Lucinschi und der transnistrische Präsident Igor Smirnov das „Memordandum On the Bases for Normalization of Relations Between the Repbulic of Moldova and Transdniestria.“ Darin bestätigen beide Konfliktparteien keine Gewalt oder Androhung von Gewalt zu verwenden. Außerdem wurde die OSZE (Nachfolgeorganisation der KSZE) in ihrer Rolle als Mediator bestätigt. Russland und die Ukraine wurden neben ihrer Rolle als Mediatoren auch als Garanten für Abkommen zwischen den beiden Konfliktpartien bestätigt.[4] Im Jahre 2005 wurden die USA und die EU als Beobachter Teil des Verhandlungsprozesses, so entstand das Verhandlungsformat „5+2“.[5]

Beispielhaft für die vielen Vorschläge zur Lösung des Konflikts stehen der Vorschlag der OSZE bei einem Treffen in Kiew 2002 (Kiew-Dokument oder OSZE-Plan), das sogenannte „Kozak Memorandum,“ vorgeschlagen von Russland und der sogenannte „Yushchenko Plan“ des ukrainischen Präsidenten von 2005.  Der OSZE-Plan und das Kozak Memorandum basierten auf der Idee eines gemeinsamen, föderalen Staates.[6] Der OSZE-Plan war relativ detailliert, legte z.B. jedoch nicht fest, welchen Status Gagausien in dem neuen gemeinsamen Staat haben sollte.[7] Das Kozak Memorandum war ein weiterer, detaillierter Plan für die Verfassung eines gemeinsamen, föderalen Staates. Dieser Plan hätte jedoch Transnistrien eine Sperrminorität gegen föderale Gesetze und auch im Bundesverfassungsgericht ermöglicht.[8] Das Kozak Memorandum wurde deshalb in Moldova stark kritisiert. Auch die EU und USA äußerten sich kritisch.[9] Der Yushchenko-Plan machte eine demokratische Entwicklung in Transnistrien zur Vorbedingung für weitere Verhandlungen. Während Moldova den Plan begrüßte und freie Wahlen in Transnistrien ebenfalls zu einer Vorbedingung erklärte, wurde dieser Plan von Transnistrien kritisiert.[10]

Neben den Plänen für eine Verfassung, gibt es viele weiter Ansätze zur Lösung des Konflikts beizutragen. Die OSZE verfolgt in ihrer Mediation des Konflikts eine „Strategie der kleinen Schritte,“ da die Lösung des Statusproblems Transnistriens weiterhin entfernt ist. So sollen kleinere Übereinkünfte und Kompromisse Schritt für Schritt zu einer umfassenden Lösung des Konflikts führen und zunächst mit pragmatischen Lösungen, die Lebensrealität der Bevölkerung verbessern. Ein Beispiel für diese „Strategie der kleinen Schritte” ist die Wiedereröffnung der Zugverbindung zwischen Chişinău, Tiraspol und Odessa 2010.[11] Ein weiteres Projekt, das die Zusammenarbeit beider Parteien fördern kann, ist beispielsweise das Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit: „Kommunales Wassermanagement entlang des Dnister“, das zwischen 2016 und 2020 durchgeführt wurde.[12] Außerdem wurden verschiedene sogenannte „confidence-building measures“ 2016 vereinbart (Berlin Plus Package). Ziel solcher Maßnahmen ist, Vertrauen zwischen den Konfliktparteien aufzubauen und gegenseitiges Misstrauen abzubauen. Beispiele vertrauensbildender Maßnahmen aus dem Berlin Plus Paket sind: die Wiedereröffnung der Brücke zwischen den Dörfern Gura Bîcului (Moldova) und Bîcioc (Transnistrien); die Anerkennung transnistrischer Universitätsabschlüsse außerhalb der Republik Moldova; oder der reibungslose Betrieb moldavischer Schulen in Transnistrien, die in lateinischer Schrift unterrichten.[13] Stand 2019 waren die Maßnahmen aus dem Berlin Plus Paket fast vollständig umgesetzt.[14]

Auch die Förderung des Handels zwischen den Parteien kann vertrauensbildend sein. So war Transnistrien Teil der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldova (DCFTA).[15] Ist der Handel relativ stabil, erhöht das die Interdependenz und kann so zur Vertrauensbildung zwischen den Parteien beitragen. Einerseits kann Handel so zu einer stabileren Beziehung zwischen Moldova und Transnistrien beitragen, andererseits kann dies aber auch den Status quo zementieren. Während intensivierter Handel mit der Republik Moldova und der EU für Transnistrien nicht gleichbedeutend mit einer Reintegration ist, begünstigt die Harmonisierung des Handels und der Handelsprozesse eine zukünftige Reintegration.[16]

Ausblick

Die Beziehungen zwischen der Republik Moldova und Transnistrien haben sich durch die schrittweise Entwicklung und Umsetzung von „confidence-building measures“ verbessert. Die Covid-19 Pandemie könnte einerseits eine Chance sein, die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Im April verkündete der damalige moldavische Präsident Igor Dodon, dass es keine Bewegungseinschränkungen für Bewohner Transnistriens geben solle. Außerdem sei eine gute Kooperation mit Transnistrien etabliert.[17] Andererseits ist die Pandemie auch eine Gefahr für die bis dahin gewachsene Zusammenarbeit. So schloss Tiraspol im März 2020 die Grenze zu Moldova und errichtete mehrere Checkpoints um die Bewegungsfreiheit einzudämmen.[18]

Auch die geopolitische Ebene des Konflikts ist weiterhin nicht gelöst. Die russische Dimension des Konflikts könnte verbessert werden, indem die Neutralität der Republik Moldova, wie sie schon in der Verfassung festgeschrieben ist, weiterhin garantiert wird. Im Gegenzug würde die Russische Föderation ihre Truppen aus der Republik Moldova abziehen.[19] Gleichzeitig sollte es eine Regelung geben, die Transnistrien erlaubt sich von Moldova abzuspalten, sollte Moldova sich mit Rumänien vereinigen. Auch wenn dies unwahrscheinlich ist, gibt es diese Forderung in Moldova,[20] ein Abspaltungsrecht würde Transnistrien diesbezüglich Sicherheit geben.

 

Referenzen:

  • Belitser, Natalya: The Transnistrian Conflict. In: Bebler, Anton: (Hrsg.): “Frozen conflicts” in Europe, 2015.
  • GIZ, Projektdaten Kommunales Wassermanagement entlang des Dnister, URL: https://www.giz.de/projektdaten/projects.action?request_locale=en_GB&pn=201521673.
  • Hill, William H.: The Transdniestrian Settlement Process – Steps Forward, Steps Back: The OSCE Mission to Moldova in 2005/2006. In. IFSH (HRSG.): OSCE Yearbook 2006.
  • Infotag: Moldova will be helping Transnistria combat Coronavirus pandemic, 3.4.2020, URL: http://www.infotag.md/rebelion-en/283832/.
  • Kemoklidze, Nino; Wolff, Stefan: Trade as a confidence-building measure in protracted conflicts: the cases of Georgia and Moldova compared, Eurasien Georgraphy and Economics 61/3.
  • Lozka, Katsiaryna: Closer together or further apart? The impact of the COVID-19 pandemic on the conflicts in the EU’s eastern neighbourhood, European View 20/1 (2021).
  • Organization for Security and Co-operation in Europe (OSCE), Mission to Moldova, URL: https://www.osce.org/files/f/documents/0/a/425141_2.pdf.
  • OSCE, Confidence-building measures, “Berlin-plus” package, URL: https://www.osce.org/mission-to-moldova/391502.
  • Schwartz, Robert: Republik Moldau: Ein Jahrhundert der Zerrissenheit, Deutsche Welle 27.3.2018, Permalink: https://p.dw.com/p/2v2T7.
  • The Moscow Memorandum, 8.5.1997, Memorandum On the Bases for Normalization of Relations Between the Republic of Moldova and Transdniestria, URL: https://www.osce.org/files/f/documents/f/9/42309.pdf.
  • Wolff, Stefan: A resolvable frozen conflict? Designing a settlement for Transnistria, Nationalities Papers 39/6 (2011).
  • Vacaru, Cristina: Resolution Mechanisms of the Transnistrian Conflict, Studia Politica: Romanian Political Science Review 6/4 (2006).
  • Vahl, Marius; Emerson, Michael: Moldova and the Transnistrian conflict, JEMIE – Journal on ethnopolitics and minority issues in Europe 1 (2004).

[1] Vacaru, Cristina: Resolution Mechanisms of the Transnistrian Conflict, Studia Politica: Romanian Political Science Review 6/4 (2006), S. 908. Für das Abkommen siehe: “Agreement on the principles for a  peaceful settlement of the armed conflict in the Dniester region of the Republic of Moldova“, URL: https://peacemaker.un.org/sites/peacemaker.un.org/files/MD%20RU_920000_AgreementPrinciplesPpeacefulSettlementDniestrConflict.pdf.

[2] 1994 wurde die OSZE Nachfolger der KSZE.

[3] Organization for Security and Co-operation in Europe, Mission to Moldova, URL: https://www.osce.org/files/f/documents/0/a/425141_2.pdf.

[4] The Moscow Memorandum, 8.5.1997, Memorandum On the Bases for Normalization of Relations Between the Republic of Moldova and Transdniestria, URL: https://www.osce.org/files/f/documents/f/9/42309.pdf.

[5] Wolff, Stefan: A resolvable frozen conflict? Designing a settlement for Transnistria, Nationalities Papers 39/6 (2011), S. 863.

[6] Belitser, Natalya: The Transnistrian Conflict. In: Bebler, Anton: (Hrsg.): “Frozen conflicts” in Europe, 2015, S. 47-48.

[7] Vahl, Marius; Emerson, Michael: Moldova and the Transnistrian conflict, JEMIE – Journal on ethnopolitics and minority issues in Europe 1 (2004), S. 14.

[8] Vahl, Marius; Emerson, Michael: Moldova and the Transnistrian conflict, JEMIE – Journal on ethnopolitics and minority issues in Europe 1 (2004), S. 15-16.

[9] Vahl, Marius; Emerson, Michael: Moldova and the Transnistrian conflict, JEMIE – Journal on ethnopolitics and minority issues in Europe 1 (2004), S. 16

[10] Hill, William H.: The Transdniestrian Settlement Process – Steps Forward, Steps Back: The OSCE Mission to Moldova in 2005/2006. In. IFSH (HRSG.): OSCE Yearbook 2006, S. 153-154.

[11] Wolff, Stefan: A resolvable frozen conflict?, S. 863.

[12] GIZ, Projektdaten Kommunales Wassermanagement entlang des Dnister, URL: https://www.giz.de/projektdaten/projects.action?request_locale=en_GB&pn=201521673.

[13] OSCE, Confidence-building measures, “Berlin-plus” package, URL: https://www.osce.org/mission-to-moldova/391502.

[14] Kemoklidze, Nino; Wolff, Stefan: Trade as a confidence-building measure in protracted conflicts, S. 322.

[15] Kemoklidze, Nino; Wolff, Stefan: Trade as a confidence-building measure in protracted conflicts: the cases of Georgia and Moldova compared, Eurasien Georgraphy and Economics 61/3, S. 320.

[16] Kemoklidze, Nino; Wolff, Stefan: Trade as a confidence-building measure in protracted conflicts, S. 321.

[17] Infotag: Moldova will be helping Transnistria combat Coronavirus pandemic, 3.4.2020, URL: http://www.infotag.md/rebelion-en/283832/

[18] Lozka, Katsiaryna: Closer together or further apart? The impact of the COVID-19 pandemic on the conflicts in the EU’s eastern neighbourhood, European View 20/1 (2021), S. 98. Siehe auch: OSCE Mission to Moldova: Dialogue needs to continue –  now even more than before the COVID-19 pandemic, says Head of the OSCE Mission to Moldova, URL: https://www.osce.org/mission-to-moldova/451273

[19] Wolff, Stefan: A resolvable frozen conflict?, S. 869.

[20] Schwartz, Robert: Republik Moldau: Ein Jahrhundert der Zerrissenheit, Deutsche Welle 27.3.2018, Permalink: https://p.dw.com/p/2v2T7.