Im Vorfeld der Parlamentswahlen in Albanien, die letztes Wochenende stattfanden, hat man jegliche Art von Schlagzeilen in internationalen Medien lesen dürfen, von „Kolumbien Europas“ bis „Kannabiskönig“ geht wählen, war die Rede. Offenbar versteht man unter Qualitätsjournalismus mittlerweile Sensations- und Skandaljournalismus und man hat es nötig mit schrägen Schlagzeilen Leser zu lotsen. Jedenfalls ein guter Journalismus hat es nicht nötig, sich an drastischen Schlagzeilen zu bedienen, denn man trägt auch Verantwortung für dass, was man sagt, nicht zuletzt, weil es um ein ganzes Volk geht, und wohl gemerkt nicht jeder pflanzt Kannabis im Schrebergarten, sondern erhofft sich, wie überall auf der ganzen Welt, eine bessere Zukunft. Jedes Volk hat das Anrecht dazu, wie auch das albanische, dass am 25. Juni gewählt hat.

Aber zurück zu der eigentlichen Sache. Was geschah wirklich mit den Wahlen in Albanien und warum siegten die Sozialisten mit einem, quasi, wie Edi Rama es nannte, „historischen Sieg“? Die Frage stellt sich mittlerweile jeder, umso schwieriger ist es eine ausgewogene und realistische Analyse zu erstellen, aber wir versuchen es mal.

Rückblickend auf die bisherigen Fakten, steht fest, dass die von den politischen Parteien initiierten Wahlkampagnen sehr wohl dezidiert und gezielt gestaltet waren. Zunächst auch die Auswahl der Kandidatenlisten für Abgeordnete sowie deren herumschieben, sorgte bei der Bevölkerung für Verunsicherung. Um nicht den Rama-Basha Pakt zu vergessen, der plötzlich kam und für viele Demokraten eine Enttäuschung, um nicht zu sagen ein Verrat bedeutete. Die LSI (Sozialistische Bewegung für Integration) nahm in der Tirade insofern Teil, weil sie nach dem Pakt, öffentliche verbale Attacken zwischen ihr und PD (Demokratische Partei Albaniens) inszenierte. LSI schaffte es in manchen Regionen Albaniens sogar zweite zu werden, aber im Endeffekt schwächte sich diese während des Wahlkampfes ab, sodass die Sozialistische Partei (PS) jetzt die absolute Mehrheit erhielt.

Zudem hat es eine geringe Wahlbeteiligung auf Landesebene gegeben (43%), welches fast an „Wahlboykott“ grenzt. Gerade mal 1/5 der Albaner haben für das ganze Volk entschieden. Nun, warum war das so?

Eine mögliche Erklärung die nahe liegt ist natürlich, dass einerseits die Mehrheit der Wähler Sozialisten von Haus aus waren/sind und anderseits manch andere aus Opportunismus oder besser gesagt aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, überhaupt gewählt haben, was die tiefe Wahlbeteiligung erklären würde. Eine zweite Ursache des Wählerrückgangs könnte der Demokratischen Partei, mit ihrem Vorsitzenden Basha, zugeschrieben werden. Basha verlor sein Gesicht und seine Sympathie, weil viele diesen Zug (Rama-Basha Pakt) als Verrat gegenüber der eigenen Überzeugung aufnahmen. Zugespitzt hat sich das Ganze durch die aggressiven öffentlichen verbalen Attacken zwischen ihm und der LSI. Drittens, ist das Volk eben müde geworden und hat langsam die Hoffnung aufgegeben, denn hier macht sowieso jeder was er will!!

Die stille Wut der Albaner überraschte dieses Mal, denn der Wahlprozess verlief per se ohne Meldungen und ohne massive Probleme. Das ist natürlich auch auf internationaler Ebene begrüßt worden. Es ist sogar ein sehr guter Prozess, so gesehen. Aber Wut bleibt Wut egal, ob sie sich in Wahlbeteiligung manifestiert „im Stillen eben“ oder nicht. Allerdings bringen Wut und Desinteresse oft falsche Entscheidungen mit sich, was hier auch geschah. Also wo liegt das Problem, dass die Sozialistische Partei in dem Ausmaß gewonnen hat?

Das Problem liegt nicht daran, dass sie gewonnen hat, sondern daran, dass diese jetzt uneingeschränkte Macht eingeräumt wird und sowas gefährdet den offenen demokratischen Prozess. Darüber hinaus ist die Kontrollfunktion einer starken Opposition nicht gegeben, was zu großen Problemen führen kann. Im Nachhinein betrachtet war der Schachzug von Rama sich mit Basha zu versöhnen, ein strategischer Schachzug, um LSI zu stoppen und die Opposition zu schwächen, damit die Sozialistische Partei allein regieren kann. Also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und wie es aussieht, hat er das auch geschafft.

Es bleibt zu hoffen, dass das Ganze zu keinem massiven Machtmissbrauch oder zu einem immer größeren werdenden Durst nach einem Machtausbau kommt. Das Volk möchte offenbar schliesslich endlich etwas Ruhe haben!