Wie steht die Lage nach dem Manöver an EU-Ostgrenze?

Wie schon bekannt, verursachte die Großübung bei den östlichen NATO-Staaten einige Sorgen. Russland argumentierte, dass das Manöver an der weißrussischen Grenze zu Polen und Litauen defensiven Charakter habe.

Die Armeen von Russland und Weißrussland haben am 14. September mit einem Großmanöver an den Grenzen zu Polen und Litauen begonnen. Die NATO-Staaten Polen, Litauen, Lettland und Estland betrachteten die Militärübung “Sapad” 2017 mit Sorge: Sie fürchteten, dass die russischen Soldaten nach der Übung nicht aus Weißrussland abziehen könnten.

Für die Regierung in Minsk aber ist die Aktion mit dem Bruderstaat heikel. Drei Monate nach diesem Vorfall ist die Situation diesig in der weißrussischen Provinz. Als Russland 2014 die Krim besetzte und den Krieg im Osten der Ukraine begann, musste auch Lukaschenko erkennen, wie groß das Risiko sein kann, die Kontrolle über das eigene Land zu verlieren. Das Misstrauen ist seitdem auch in Weißrussland gewachsen. So sehr, dass die Opposition um Statkewitsch auf Demonstrationen öffentlich forderte, die russischen Soldaten – etwa 3100 sollen laut Moskau während des Manövers im Land sein – müssten nach der Übung mit ihren Waffen wieder abziehen. Das weißrussische Verteidigungsministerium sah sich daraufhin genötigt, zu versichern, bis zum 30. September würden alle russischen Truppen das Land wieder verlassen.

„Russland veranstaltet das Großmanöver, um Druck auf den Westen und die NATO auszuüben, und benutzt dazu unseren Boden“, sagt der Oppositionelle Mikalaj Statkewitsch. Der Sozialdemokrat kritisiert Lukaschenkos Regime scharf, auch nach fünf Jahren Lagerhaft will er Weißrussland nicht verlassen.

Für den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko bleibe bei dieser Kriegspropaganda allenfalls die Rolle eines Statisten, sagt Statkewitsch, Oberstleutnant außer Dienst, denn die Armee hat ihn entlassen.

 

Gibt es Hoffnung, dass sich die letzte Diktatur Europas öffnet?

Rückblickend auf das Jahr 2017, gab es sehr viele Proteste wo mehrere Tausend Menschen gegen die Regierung demonstrierten. Einer der Anlässe war das unbeliebte Sozialdekret Nummer drei: Wer weniger als 183 Tage im Jahr als Arbeitnehmer registriert ist, soll eine Steuer von 225 Euro bezahlen. Etwa 2000 Menschen protestierten am 26. Februar in der Stadt Gomel, in der Hauptstadt Minsk gab es ebenfalls eine Kundgebung, und auch wenn es insgesamt nur einige Tausend Demonstranten waren, außergewöhnlich war es für Weißrussland schon. So viele Menschen sind seit Jahren nicht mehr auf die Straße gegangen. Beim letzten Mal, am Tag der Präsidentenwahl, gingen danach Bilder von prügelnden Polizisten um die Welt, sieben Präsidentschaftskandidaten und Hunderte Demonstranten wurden am Wahltag selbst festgenommen. Es ist offensichtlich, dass das Leben für die Weißrussen härter geworden ist. Die Lage ist angespannt. Weißrussland ist in den Sog der seit Jahren andauernden russischen Wirtschaftskrise geraten. Zudem stört die Planwirtschaft, die in Teilen noch immer existiert. So gibt es nun negative Zahlen anstatt Wachstum. Auch deshalb orientiert sich das seit Langem autoritär regierte Land um.

Die Führung in Minsk sucht nach Alternativen zu Russland, öffnet sich vorsichtig nach Europa hin. Weißrussland braucht Geld, Bilder von brutalen Polizei-Einsätzen, Festnahmen vor laufenden Handy-Kameras wären diesem Ziel abträglich. Das sind unverhüllte Avancen an die Europäer, die es im Übrigen sehr schätzen, dass Minsk die Annexion der Krim auch als solche ansieht. Minsk will von Moskau nicht länger total abhängig sein. Noch Anfang 2017 schien das Tauwetter zwischen Minsk und Brüssel unumkehrbar zu sein. Lukaschenko ließ politische Häftlinge frei. Zwei oppositionelle gelangen ins Parlament. Die Regierung erlaubte einen fünftägigen Aufenthalt ohne Visum, unter anderem für EU Burger. Brüssel hob die Sanktionen gegen die “letzte Diktatur Europas” auf.

Eines ist klar, dass der autoritäre Lukaschenko nicht plötzlich Demokrat geworden ist. Jedoch erhofft sich Weißrussland den Beitritt in die Welthandelsorganisation WTO. Da kann ein entspanntes Verhältnis, etwa zu den USA, nicht schaden. In Berlin hält man Lukaschenko jedoch für fähig, das Land stabil zu halten und ebenso die Distanz zu Russland zu wahren – das Verhältnis zwischen den Präsidenten Lukaschenko und Wladimir Putin ist von Misstrauen geprägt.

Wie man mit solch einen Staat umgehen soll, ist sehr kompliziert. Eines ist sicher, Lukaschenko plant gegenwärtig keine grundlegenden Reformen, keine Sanierung seines Staates. Solche Vorhaben waren in seinem nahen Umfeld bis jetzt nicht mehrheitsfähig.

 

Bildquelle: https://www.welt.de/img/politik/ausland/mobile161975386/7882503477-ci102l-w1024/Treffen-Alexander-Lukaschenko-und-Wladimir-Putin.jpg

Quellen: http://www.spiegel.de/politik/ausland/weissrussland-zwei-maenner-wegen-mordes-zum-tode-verurteilt-a-1159229.html

https://www.welt.de/politik/ausland/article170709919/Putins-widerspenstiger-Bruder.html

http://deu.belta.by/president/view/lukaschenko-prasident-ist-bevollmachtigter-fur-unternehmertum-in-belarus-34164-2017/

http://www.zeit.de/2017/38/russland-weissrussland-militaermanoever-sapad

http://eng.belta.by/politics/view/dialogue-with-eu-discussed-at-belarus-slovenia-ministerial-consultations-107586-2017/

http://eng.belta.by/politics/view/belarus-does-not-plan-to-join-eu-but-shows-interest-in-eap-107549-2017/

https://www.mdr.de/heute-im-osten/belarus-110.html