Am 2. April hat der bisherige Premier sein Amt auf den Stuhl des Präsidenten gewechselt. Alexander Vučić führte schon Wochen vor den Wahlen die Umfragen an, aber sein Sieg mit 57% in der ersten Runde hat viele überrascht, aber nicht so sehr die EU. Die deutsche Kanzlerin hat am folgenden Tag ein Kommunikee herausgegeben, in dem sie ihm für seinen Erfolg gratulierte. Am gleichen Abend haben mehrere tausende Menschen vor dem serbischen Parlament gegen das Ergebnis demonstriert. Sie klagen die Regierung und persönlich Vučić an, massiv Missbräuche (Stimmenkauf, Wahlfälschung, etc.) begangen zu haben, die die Legitimität der Wahlen in Frage stellen. Die Proteste dauern seitdem an und richten sich in erster Linie gegen die autoritäre Einrichtung. Darüber hinaus verfolgen die Protestler die Änderung der derzeitigen Ziele der sozialen und ökonomischen Politik.

Sie fordern die Entfernung der Mitglieder der RIK (Wahlkommission) und der REM (Aufsichtsbehörde für elektronische Medien), die Abschaffung der „Diktatur“ und die Entfernung der politischen Elite mit Alexandar Vučić an der Spitze. Des Weiteren fordern sie freie Medien (darunter die Entfernung der Redakteure der staatlichen Medien und die Sanktionierung aller Redakteure, die das Mediengesetz verletzen), die Departization der staatlichen Firmen (die Entfernung der Parteifunktionäre), die Verbesserung der Rechte der Arbeiter (die sofortige Änderung des Arbeitsgesetzes), die Verteidigung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Gewährleistung allgemeiner und kostenloser Bildung und Gesundheit.

Mit der Zeit hat aber die Aktivität der Proteste abgenommen, von mehreren tausend Protestlern hat sich die Zahl auf einige Hunderte verringert und Vučić hat ausgehalten. Nach den ersten Tagen war er sich sicher, dass die Demonstrationen – auf täglicher Basis – seine Macht nicht gefährden. Am 16. April hat er sich schon mit Spott geäußert: “Solange sie (die Protestler) ruhig sind, (von mir aus) können sie sogar noch 10 Jahren hier rumspazieren…” Inzwischen ist es zur Spaltung in den Reihen der Demonstranten gekommen. Eine wie in Rumänien stattgefundene Demonstrationswelle konnte in Serbien bis jetzt keinen Fuß fassen. Die Organisatoren haben sich in drei Gruppierungen aufgespalten. Sie unterscheiden sich in strategisch wesentlichen Fragen, zum Beispiel wie sie sich die Proteste oder die Beziehung zu Opposition weiterhin vorstellen.

Die erste Gruppe, die sich auf Facebook unter dem Name “Protiv Diktature” engagiert, steht für die schon früher verfassten sieben Forderungen und für eine Zusammenarbeit mit der Opposition. Sie sind auch die aktivste Gruppe bei der Organisation der Proteste. Die zweite Gruppe sieht aber, dass die Protestphase, in der man seine Unzufriedenheit ausdrückte, vorbei ist: “Man soll die Energie nicht auf die täglichen gering besuchten Protesten verschwenden”, sondern strategisch denkend größere Massen mobilisieren. Sie lehnen die direkte Zusammenarbeit mit der Opposition ab, da sie betrachten, dass die Proteste schon von Anfang an gegen die Zusammenarbeit mit allen existierenden Parteien waren, die sie übrigens auch verantwortlich für die bestehenden politischen und ökonomischen Umstände machen. Sie halten auch an den sieben Forderungen fest, betonen aber die Wichtigkeit der Aus- bzw. Bearbeitung dieser Punkte. Sie werden nach informellen Angaben unter dem Namen “Sieben Forderungen” die Zusammenarbeit mit anderen gleichgesinnten Oppositionellen anstreben.

Die dritte und kleinste Gruppe hat öffentlich bekannt gegeben, dass sie im Weiteren unter dem Namen “Mit Kultur gegen die Diktatur” tätig sein wird. Sie halten die täglichen Proteste für sinnlos, da die Zahl der Anwesenden stark abgenommen hat. Sie planen, in naher Zukunft, Aktionen zu organisieren, in welchen sie versuchen, den verlorenen Geist der Proteste zurückzubringen.

Vučić scheint also zu gewinnen und seiner Bestrebung nach ein autokratisches System zu vollenden, in dem er dann zu welchem Zeitpunkt und auf welche Weise er möchte, Wahlen halten kann – über deren Ergebnisse er kein Kopfschmerzen zu haben braucht. Doch in dieser Atmosphäre braucht man nur einen kleinen Funken und es kann zur Explosion kommen, wie es in Rumänien passierte. Die Chance besteht, jedoch ist sie derzeit nur gering, da Vučić eine starke Machtbasis, politisch sowie ökonomisch, hinter sich hat und er muss zudem nicht mit westeuropäischem oder amerikanischem politischem Gegenwind rechnen.