Wenn man einer alltäglichen Person in Ungarn die Frage stellt: „Wissen Sie wer George Soros ist?“ wird sie sich wahrscheinlich gleich folgendermaßen äußern: Er ist ein amerikanischer multi-milliardenschwerer Finanzplayer mit ungarischen Wurzeln, der ein selbsterklärter Feind der ungarischen Regierung ist. Aber wer ist er eigentlich wirklich? Was sagt seine Reputation über ihn? Ist er ein wirklicher Börsenhai oder ein ehrwürdiger politischer Berater der Europäischen Union?

Das Thema „Soros“ ist in Ungarn erneut aktuell seit seiner Rede im Rahmen des Brüsseler Wirtschaftsforums am 1. Juni. Die ungarische Regierung feindet ihn seitdem publikumswirksam wieder an. Doch es gibt an Soros‘ Ideen und an der Tatsache, dass er in Brüssel seine Meinung über die EU-Mitgliedstaaten äußern kann, auch demokratisch motivierte Kritik.

Trotz seiner umstrittenen Persönlichkeit scheint ganze Europa im Kampf gegenüber der „ungarische Diktatur“ mit ihm auf gleicher Linie zu sein. Man hinterfragt seine Rolle in der europäischen Großpolitik kaum. Seine bisher so kontrovers beurteilte Person ist in den für die EU wichtigsten Fragen miteinbezogen. Er ist ein erfolgreicher Stratege, von wem auch hinsichtlich der Politik zu lernen ist. Sein Wissen ist wichtiger als seine kontroverse Vergangenheit, so denken viele der bedeutendsten Spieler der EU-Politik.

Dem hingegen erinnern sich die Briten an sein Abenteuer, namens Schwarzer Mittwoch, als er in den 90er Jahren Britannien in eine Pfundkrise stürzte und damit 1 Milliarde Dollar verdiente, nicht gern. Man erinnert sich auf der höchsten Ebene im französischen Skandal auch nicht gern, als er von den von der Chirac Regierung ausgedachten geheimen Privatisierungsplan erfuhr und damit durch Insider Trading für sich großen Profit herausschlug. Die Malaysier erlebten eine ähnliche Situation mit ihm bezüglich ihrer Währung. und um ein ungarisches Beispiel zu erwähnen, benutzte sein Fonds Insiderinformationen und spekulierte gegen die OTP-Bank. Für all diese Art der Geschäfte wurden Geldstrafen verhängt.

Insiderhandel bedeutet die Verwendung von Insiderinformationen für Börsengeschäfte von jemandem, der die kurserhebliche Information als Geheimnis behandeln sollte, aber trotzdem die Information zum eigenen Interesse ausnutzt.

Natürlich lebten wir in einer Traumwelt, wenn wir denken, dass die wirtschaftlichen Muftis bezüglich zur Politik über keinen Machtanspruch verfügen und durch Lobbyisten keine Mitsprachemöglichkeit haben. Die Verflechtung dieser zwei Bereiche war aber, bis in heutigen Zeiten, vor dem Großpublikum zumindest besser versteckt. Der vor uns abspielende Machtkampf deutet darauf hin, wie sehr unterschiedliche Faktoren unser Leben beeinflussen und wie komplex die Machtverhältnisse um uns herum sind.

Es gibt zwei unterschiedliche Arten von politischen Akteuren, die aber am gleichen Spiel im gleichen Stil teilnehmen – der Politiker und der Ökonom. Beide versuchen ihre Interessen durchzusetzen, werden aber von der öffentlichen Meinung anders beurteilt. Beide manipulieren, formulieren die Wahrnehmung und verfolgen bestimmte Interessen und Ideologien. Wir sind aber nur mit einem der beiden in dieser Hinsicht vertraut: Wir kennen die Ziele und Methodik des Politikers, aber das Verhaltensmuster des Geschäftsmanns gegenüber Gemeininteressen ist unbekannt. Wir sollten aber ein Auge auf beide haben. Die Werte und Ideologien klingen ja gut, können aber wie so oft, wie es in der Politik geschieht, auch als Augenbinden wirken.

Warum sollte ein profit-orientierter Geschäftsmann sich für die Interessen einer Gemeinschaft einsetzen? Wie würde der dafür notwendige Meinungsaustausch zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsmann verlaufen? Was sind die Kanäle? Zwischen den offiziellen politischen Akteuren und der Gesellschaft verwirklichen sich die Kanäle und Methoden des demokratischen Entscheidens durch die Wahlen. Wer wählt aber diesen Geschäftsmann, um unsere Interessen zu vertreten? Für ihn ist es ein individuelles Projekt, die gewählten kollektiven Rechte und Werte zu verteidigen. Der Politiker verteidigt im Grundsatz aber Bevölkerungsschichten auf Grund einer kollektiven Entscheidung, es ist nicht sein persönlicher Beschluss.

Man kritisiert die jetzige ungarische Regierung genau dafür, dass sie Schritt für Schritt unkontrollierbarer wird, dass sie nicht ausreichend proportional die Bevölkerung repräsentiert, und dass ihre Entscheidungen nicht vom Volk erwünscht sind. Sie waren aber doch demokratisch gewählt und dadurch legitimiert. Die einzige Fläche, die aber Herrn Soros in seiner Vision legitimiert, ist das von ihm gegründete Netzwerk und die Mainstream-Massenmedien, welche oft von Wenigen geführt werden, die sich wahrscheinlich in gleichen Sphären sozialisiert haben, auch die gleiche berufliche Richtung verfolgen und dadurch die pluralistische Welt im Prinzip eigentlich nicht angemessen repräsentieren können. Die gleiche Kritik könnte man also auch gegenüber dem berühmten Philanthropen aussprechen, dass sein Interesse und das Interesse der europäischen Wahlbürger einander gegenüberstehen können.

Auf der nationalen Ebene kann schon die Regierung auf der Basis der elitistisch-demokratische Theorie kritisiert werden. Das kann sich aber auch auf die europäische Ebene bezogen werden, wenn es um die persönlichen Treffen zwischen den politischen und wirtschaftlichen Machthabern der Welt geht. Sie weisen darauf hin, dass die europäischen Bürger in manchen Sachen nicht befragt werden müssen, da die Bürger über die notwendigen Kenntnisse nicht verfügen, um vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Deshalb muss die rational entscheidungsfähigere politische Elite die irrationelle Masse in wichtigen Fragen ausschließen.

Herr Soros teilt also als Experte seine Vision mit und ist in Qualität eines Beraters in den politischen Fragen und in konfliktreichen Situationen, wie zum Beispiel in Fragen der Ukraine-Krise und Migrantenkrise, nur um einigen zu erwähnen, in den er sich nach eigener Aussage beteiligt hat, einbezogen. All dies kann zum Ziel der Verwirklichung dieser globalen Vision von ihm gesehen werden.

Ein anderer Aspekt würde die aktuellen politischen Geschehnisse damit erklären, dass die Macht des Volkes zu den Experten wandert. So sind die Experten wichtigere Akteure als das Volk. So ist Demokratie durch die Entscheidung von Wenigen gefährdet.

Die Fragen stellen sich nochmals, was für Interessen verstecken sich im Hintergrund der Handlungen – strikte humanitäre oder ökonomische? Wie kann ein unmoralischer spekulativer Ökonom sich in einem moralisch-humanitären politischen Aktivist umwandeln?

Er nimmt sich einerseits was er will von der Gesellschaft und anderseits gibt er etwas zurück. Er beschädigt einen Teil der Gesellschaft und fördert gleichzeitig einen anderen Teil. Handelt er mit profit-orientiertem Denken auch in der Politik, wenn er z.B. Pluralismus oder moralische Ansätze fördert? Das sind die Fragen, worauf beide Seiten keine wirkliche Antwort geben können.