Ungarn trat der Europäischen Union im Zuge der EU-Osterweiterung im Jahre 2004 bei. Der mitteleuropäische Staat ist Teil des Viségrad-Verbundes. Zuletzt machte der ungarische Premierminister Viktor Orbán unter anderem mit dem Ausruf einer “illiberalen Demokratie” auf sich aufmerksam.

Wenn man dem Bertelsmann-Transformationsindex Glauben schenken mag, dann ist Ungarn schon längst eine defekte Demokratie. Das Land gilt laut dem Freedom-House-Index als semi-konsolidiert und unterscheidet sich dadurch von den Visegrád-Partnern Polen, Tschechien und der Slowakei (alle konsolidiert), nicht aber von den östlichen Nachbarn Kroatien, Serbien und Rumänien. Die aktuelle Regierung ist seit 2010 im Amt und Würden. Bei den Parlamentswahlen kam es zu einem Erdrutschsieg der Fidesz-Partei, die fortan zusammen mit der kleinen KDNP eine ⅔-Mehrheit im Parlament innehatte. Premierminister Orbán sprach daraufhin von einer “Revolution in den Wahlkabinen” und von der Vollendung des Systemwechsels nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Seit 2010 kam es allerdings auch zu einigen Dekonsolidierungsprozessen, und zwar in Form von Einschränkung demokratischer Standards, partieller Pressezensur, der öffentlichen Ablehnung der EU sowie Korruption. Nicht erst seit dem Referendum vom Oktober 2016 führt Ungarn in der nationalen Öffentlichkeit einen ideologischen Kampf gegen die EU, welche ihrerseits auf die Einhaltung der europäischen Werte pocht.

Politisches System Ungarns

Mit einem Einkammerparlament ausgestattet, wird das ungarische Parlament alle vier Jahre mit Hilfe des Grabenwahlsystems gewählt. Das aktuelle Parteiensystem hat sich in seinen Grundzügen bereits vor der Wende herauskristallisiert, wobei es im Laufe der vergangenen 30 Jahre zu zahlreichen Umbrüchen und Veränderungen kam. Die heutige Regierungspartei Fidesz beispielsweise begann ursprünglich als linksliberale Oppositionspartei, während sie heute überwiegend konservative Werte vertritt. Die zweitstärkste Partei – ein Bündnis der neu gegründeten MSZP mit den kleineren Parteien Együtt, PM, DK und MLP – repräsentiert die ungarischen Sozialdemokraten, während die drittgrößte Partei Jobbik rechts von Fidesz einzustufen ist.

Insgesamt gibt es einige Argumente, die für eine Konsolidierung Ungarns sprechen: So hat es bislang keine vorgezogenen Parlamentswahlen gegeben. Außerdem gibt es innerhalb des Parteiensystems stabile Aufteilungen, sodass das gesamte Spektrum und somit alle Interessen pluralistisch vertreten sind. Dagegen spricht die Tatsache, dass die ungarische Regierung die Legitimität politischer Gegner häufig nicht anerkennt. Auf diese Weise werden demokratische Institutionen geschwächt und es kommt zu einer Gegenüberstellung von Verteidigern der Demokratie und nationalistisch eingestellten Regierungsvertretern.

Mit der Verfassungsreform 2011 wurde die Macht des Ministerpräsidenten Orbán noch einmal vergrößert, was zu scharfer Kritik von Seiten der EU geführt hat.

Offene Fragen

Alles in allem wird es interessant zu beobachten sein, wie sich Ungarn verhalten wird, sollte die EU noch stärker unter Druck geraten, als dies bislang der Fall war. Wie werden sich die Wähler verhalten? Gibt es eine stärkere Öffnung nach Osten oder entschließt man sich zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten der Europäischen Union? Lauter offene Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt.

 

Quelle:

https://freedomhouse.org/blog/eu-should-set-explicit-press-freedom-requirements-candidate-countries