Mit der Zeit der polnisch-litauischen Adelsrepublik hin zur kommunistischen Volkrespublik und zum heutigen parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem teilt Polen viele historische Gemeinsamkeiten mit seinen osteuropäischen Nachbarn. Dabei scheint auch der Übergang von einer weitgehend planwirtschaftlichen hin zu einer kapitalistischen Marktwirtschaft sowie eines autoritären Einparteiensystem hin zu einer konsolidierten pluralistischen Demokratie weitestgehend erfolgreich zu sein (vgl. BTI Poland Report 2016).

Nach der im Jahre 1997 verabschiedeten Verfassung ist das polnische Zweikammerparlament das politisch ausschlaggebende Staatsorgan. Hierbei ist wiederum der aus 460 Abgeordneten und zu den ältesten Parlamenten gehörende Sejm zentral, welcher entsprechend des Verhältniswahlrechts gewählt wird. So kann der Sejm nicht nur eine Regierung durch ein konstruktives Misstrauensvotum stürzen oder völkerrechtliche Verträge nicht ratifizieren lassen, sondern ernennt auch mit Hilfe einer einfachen Mehrheit Verfassungsrichter sowie den Präsidenten der Nationalbank. Im Gegensatz dazu besitzt der aus 100 Senatoren, die in jeweils 100 Wahlbezirken nach dem Direktwahlrecht gewählt werden, bestehende Senat über eine beratende Funktion und kann Gesetzesvorlagen durch ein Vetorecht an den Sejm zurückweisen. Allerdings kann dieser
wiederum durch eine qualifizierte Mehrheit sowohl das Vetorecht des Senats als auch des Staatspräsidenten umgehen (Ziemer 2013).

Die Kompetenzen des in Direktwahlen zu bestimmenden Staatspräsidenten beschränken sich weitestgehend auf repräsentative Funktionen, wobei er auch Gesetzesvorlagen zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof weiterleiten kann (Art.122 der polnischen Verfassung). Die Wiederwahl ist einmalig möglich.

Wie in anderen osteuropäischen Staaten ist auch das polnische Parteiensystem durch eine hohe Fluktuation bzw. durch zahlreiche Parteineugründungen sowie -auflösungen gekennzeichnet. Die mit im Jahre 2006 einhergehende und von Skandalen gezeichnete Autodestruktion der sozialdemokratischen Linken (SLD) bzw. der Nachfolger der ehemaligen kommunistischen Partei hat ein neues, grobes „Zweilagersystem“ etabliert (vgl. Wasilewski 2010). So lässt sich dieses auf der einen Seite in ein liberal-demokratisches Lager einteilen, zu dem v.a. die von Tusk ehemals regierte liberalkonservative Bürgerplattform (PO), die konservative Bauernpartei (PSL), die wirtschaftsliberale Partei (Nowoczesna.) und in weiten Teilen das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) zählen. Auf der anderen Seite steht eine eher rechts-konservative bis autoritäre Anhängerschaft, die v.a. die regierende PiS-Partei zusammen mit zwei kleineren Koalitionspartnern (Solidarna Polska und Polska Razem) sowie die EU-skeptische Kukiz-Bewegung (Kukiz`15) zu wählen sucht Dieses, eher mit dem politischen System der USA vergleichbaren „Lagerdenken“ prägt in einem besonderen Maße auch die politische Kultur Polens, wobei ein nicht unbeträchtlicher Teil der polnischen Gesellschaft sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen versucht (so lag bspw. die
Wahlbeteiligung bei den letzten Parlamentswahlen bei knapp 51%).

Obgleich das derzeit regierende Parteienbündnis über keine verfassungsändernde Mehrheit im Sejm verfügt, scheint es grundlegende sowie bisher praktizierte demokratische Grundannahmen, d.h. „the rules of the game“, zu verändern. So führten durch die Regierung eingebrachte Gesetze sowohl zu Entlassungswellen in Medien, Militär und anderen öffentlichen Institutionen, als auch zur Unterminierung der demokratischen Gewaltenteilung. Obwohl der Parteivorsitzende der PiS-Partei
Jaroslaw Kaczynski formal nur ein Sejm-Abgeordneter ist, wird er als das eigentliche „Machtzentrum“ wahrgenommen, so dass die Machtstellung anderer demokratischer Entscheidungsträger, hier v.a. der Premierministerin Beata Szydlo und des Staatspräsidenten Andrzej Duda, mehrfach infrage gestellt wird (s. hierzu insbesondere die Darstellungen des Staatspräsidenten in der populären Polit-Komödie „Ucho Prezesa“). Anders als in Ungarn unter der rechts-konservativen Regierung Viktor Orbans scheint sich seit der Regierungsübernahme durch PiS im Oktober 2015 eine Erstarkung nicht nur zivilgesellschaftlicher Akteure, sondern kürzlich auch der vorherigen liberal-demokratischen Regierungspartei PO abzuzeichnen (Parlamentarny.pl 2017).

 

Quellen:
BTI Report 2016. Bertelsmann Transformation Index, Länderberichte online unter: https://www.bti-project.org/de/berichte/laenderberichte/ [Accessed June 5, 2017].
Parlamentarny.pl 2017. Zusammenfassung der Umfrage vom 03.06.2017 online unter: http://www.parlamentarny.pl/sondaze/pis-i-nowoczesna-w-gore-po-i-kukiz-15-w-dol,170.html [Accessed June 6, 2017].
Ucho Prezesa („Das Ohr des Vorsitzenden“), 14 Episoden online mit englischsprachigen Untertiteln unter: https://www.youtube.com/watch?v=LYiAathvVYI [Accessed June 7, 2017].
Wasilewski, Jacek. Trudny test demokratycznego elityzmu. In: Richard, Andrzej/ Domanski, Henryk (Hrsg.), 2010: Legitymizacja w Polsce.. IFiS PAN, Warschau.
Ziemer, Klaus. Das politische System Polens. Eine Einführung. Springer Verlag, Wiesbaden 2013